Reihum reden und schreiben alle über den „hippen“ Begriff und fühlen sich gegenseitig bestätigt. Ich finde, das zeigt nur wie sehr viele ‚geschlafen‘ haben. Die Zeit geht nie zurück, nur vorwärts – lässt aber einige zurück! 😉 Man kann nie alle „mitnehmen“. Wir betrügen uns, wenn wir behaupten, wir seien wieder an dem und dem Punkt der Vergangenheit angelangt.
Also nicht zurückschauen und vor Schreck erstarren, sondern in der Gegenwart diejenigen ausmachen, die zurückgeblieben sind und sich wegen uns an eine Säule ihrer Ahnen klammern. (Wie zB die SVP) 😉 Wegen dieser Zurückgebliebenen kehrt nicht die ganze Weltpolitik zu denen zurück. Aber das hätten die gerne.
Es hat historische Tradition, dass Schwule immer mal wieder Angriffsziel gesellschaftspolitischer Kämpfe sind. Heute auch Lesben und Queerpersonen. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Meistens wird „die Verschwulung der Welt“ (1) befürchtet und behauptet! Doch welche Denkweise dahintersteht untersucht keineR. Wie ich schon immer schreibe, gibt es eine kulturelle Bedeutung, die in die Politik hineingerutscht ist. Vor allem in Bezug auf die Verwischung geschlechtsspezifischen Verhaltens. „Päderasten“ sind Männer, die „den Arsch hinhalten“, also den passiven Teil übernehmen. Und Männer, die im Profil „nur aktiv“ angeben, sind diejenigen, die richtige Männer „bleiben“ wollen. (Und das hat nichts mit persönlichen Vorlieben zu tun!) Das sich gegenseitig provozieren mit dem Ausdruck „ibne“ (Gefickter) in türkisch/kurdischen jungen Männergruppen dient der Herausforderung des „echten Mannes“ untereinander. Der Anspruch an eine „echte Frau“ ist gerade gegenteilig. Wer jetzt noch nichts merkt, dem ist nicht zu helfen…
Edmund White (1940-2025) berichtet aus den USA, dass vor der öffentlichen Schwulenbewegung jeder Mann im Verdacht stand, vielleicht „so einer zu sein“. Die Anfänge sozialer Wissenschaft hielten sich immer an Äusserlichkeiten. Nach dem Auftreten der Schwulen wusste mann: aha das, oder so sind Schwule. Was wiederum zu falschen Annahmen führte, denn die Auftretenden waren ja nie repräsentativ. Aber der „normale Mann“ war ein wenig entlastet! 😉 Es wird immer Menschen geben, die „zu spät geboren“ werden, die sich in früheren Epochen wohler fühlen würden. Aber deswegen von einem Backlash zu fabulieren wäre falsch!
In den Zehner-Jahren traten die ersten militanten Konservativen in den Medien auf. Ich habe damals sofort eine handvoll solcher Bücher bestellt, bevor sie wieder aus dem Buchhandel verschwunden sind. Dazu gehört auch Gabriele Kuby (*1944, katholisch-konservativ, (2)
In diesen Büchern können wir lesen, was heute von politisch originell sein wollenden Leuten hinaus posaunt wird!
Akif Pirinçci (*1949 in Istanbul), ist mit seinen türkischen Eltern 1969 in die Eifel umgesiedelt. Er war verheiratet und hat einen Sohn. Er ist bekannt und beliebt geworden mit „Katzenkrimis“ und dann aufgefallen mit Büchern wie: „Deutschland von Sinnen“ / „Die grosse Verschwulung“ (2015). Er wäre gescheiter bei seinen Katzenkrimis geblieben!
Ich habe jetzt, zehn Jahre nach Erscheinen angefangen sein Buch zu lesen. Politisch gibt es nichts namhaftes her. Seine Gedanken sind wohl „originell“ im Sinne seiner Katzen in Krimis, aber der Text bewegt sich vorwiegend im Stammkneipen-Jargon. Er schwadroniert über vermeintliche Zusammenhänge hinweg, ohne Ahnung zu haben. Mühsam auch beim „überfliegenden Lesen“. Seine Weisheiten über Frauen sind eher despektierlich. So über Angela Merkel in der Politik. Er bewundert dagegen Margareth Thatcher als eiserne Lady. „Eine türkische Flagge, meinetwegen auch die vom Islamischen Staat mit den arabischen Schriftzeichen, ja, das wäre im heutigen Deutschland, das sich echten Männern aus dem Morgenland mit heruntergelassenen Röcken und Hosen zu nähern pflegt, nicht zu beanstanden.“ (S. 40)
Als „Eingewanderter beklagt er sich über offene Grenzen, die nicht mehr kontrolliert werden könnten. „Lächerlich. Wenn nicht sogar total nazi.“ Das erinnert mich bei uns an people of color, die sich bei der SVP engagieren, in der Meinung, hier bei der „schweizerischsten Partei“ gelandet zu sein. Irgendwie adaptiert er eine „Erdogan-Doktrin“ auf die Bundesrepublik Deutschland. Wenn er vom „deutschen Mann“ labert höre ich die Ecke, aus der er schreit! „ … habe ich mich immer als echten Mann empfunden, wenn ich einer Frau etwas Gutes tun konnte.“ Oder dass er ihnen schöne Sachen kaufte, die sie sich schon immer gewünscht hatten und dass sie sich auf „ihren Kerl“ verlassen konnten. (S. 105)
Das tun auch türkische Fussballstars oder Tennisspieler – für ihre Mütter! Ich sage immer: die wurden nicht richtig abgestillt. Zum Thema gibt es Literatur: Volker Elis Pilgrim: Muttersöhne (über Politiker und Gewalt in der Geschichte) 1986/89. Immer wieder hatten und haben Schwule Angst, ihre Mutter könnte bei ihrem coming out einen Herzinfarkt bekommen und sterben…
Andreas Lombard (*1963) kommt mit einem klar gesellschaftspolitischen Konzept! („Homosexualität gibt es nicht“). Natürlich gibt es auch für ihn Homosexualität, aber nicht auf seinem eigenen sexualpolitischen Sofa. 😉 Er ist auch eine Art „Diskriminierungsleugner“. Schwule sind erstens eine Minderheit und zweitens ist ihre Diskriminierung quasi nur «ein Vogelschiss» in der ruhmreichen Geschichte der Fortpflanzung. Er hat sich 2015 am Plessower See in Klausur begeben, um seine Ideologie zu formulieren. Ähnlich wie Präsident Wladimir Putin hat er sich eine eigene Historie „erschrieben“. Vor allem ärgert er sich über die Fortpflanzungstechniken, die für Homosexuelle geschaffen worden seien. Dabei wurden diese Techniken ursprünglich für den Fortpflanzungswahn von Heterosexuellen geschaffen, die daran aus natürlichen Gründen gescheitert sind. Ich muss immer wieder an die Zeitschriften der „Zeugen Jehovas“ denken, worin die heile Familie mit vielen Kindern propagiert wird. Schwule würden das „versprochene Glück“ in ihrer Lebensweise nicht finden können. Interessant ist, dass sich Lombard auch auf das 2015 erschienene Buch von Robert Beachy: Das andere Berlin. Die Erfindung der Homosexualität, bezieht. Darum seine Titelwahl. Nun, die sexuellen Akte zwischen Männern sind in allen Kulturen und zu allen Zeiten „erfunden“ worden. Aber dies geht über seinen Horizont hinaus. Leider.
„Vielmehr geht es um eine notwendige Kritik an der Homosexualisierung, an der ideologischen Verklärung der Homosexualität und der massiven Werbung für sie…“ (S.53) Es geht ihm um die Bindungslosigkeit und Promiskuität. Als ob bei den Heterosexuellen jeder seine Frau für den Rest des Lebens schon finden werde…
Oft begegnet mir der Begriff der „Gleichheit“ in bürgerlichen Kreisen. Ich erinnere mich an eine Diskussion an einer GLP*-Versammlung in Basel. Ich bemerkte damals ironisch, was es denn noch gleicheres gebe als innerhalb des Geschlechtes. 😉
Wir müssen nicht „gleich“ sein, aber wir beanspruchen nur die gleichen Rechte. Daran erkenne ich eine wesentliche Eigenschaft der Gesellschaft, die ständig daran baut, den einen Gruppen / Familien / Unternehmen mehr Rechte zu geben als anderen. Dieser Begriff Gleichheit verdirbt die Diskussion und schiebt ihr jene „Identitätspolitik“ unter, die immer beklagt wird. Es ist sinnlos, Identitäten zu bekämpfen, sie sollen alle die gleichen Rechte haben! Sorry, aber „bürgerliche“ Politik orientiert sich meistens an Äusserlichkeiten, wie früher auch in den Sozialwissenschaften! Nur keine Rechte „abgeben“ oder mit anderen teilen. Etwas Exklusivität soll man doch noch haben dürfen! 😉 Lombard: „Eine Welt, in der alles gleichwertig erscheint, ist eine Welt voller Fiktionen.“ (3) Thommen: Eine Welt in der alles heterosexuell sein muss, ist eine Welt voller Fiktionen!
Backlash? Wir Schwulen werden in ewigen Zeiten noch gegen gewisse „Meinungen“ kämpfen müssen – wie die Juden und die Zigeuner. Auch wenn viele von uns da schon heraus gewachsen sind. Es gibt keine bürgerlichen Ausreden wie: ich werde nicht diskriminiert, oder bei mir ist das anders… Denn zuletzt holen sie auch Dich! mit der Diskriminierung ein.
Dabei ist es von Vorteil, als Betroffener darüber informiert zu sein. Erst um dieses unbestimmte Gefühl «ich werde diskriminiert» loszuwerden und dann noch viel wichtiger: Zu wissen, was genau in den Köpfen steckt, die gegen die Propaganda für die Homosexualität zu kämpfen sich verpflichtet fühlen. Dies gilt für alle von uns – auch Migranten – und für überall auf dem Planeten.
„Im Zentrum seiner Gedanken aber steht immer wieder die Einsicht, dass neben, unter, über allem anderen die Schwarzen auch dafür gebraucht wurden, zu definieren was ein Weißer ist.“ (Verena Lueken, faz online 1.4.17) über James Baldwin – Dazu gedacht: Frauen und Schwule werden immer wieder dafür missbraucht, zu definieren, was ein MANN ist! P. Thommen_75
* Grün-Liberale Partei
1 ) Auf Hubert Fichte bezog sich Joachim Helfer (*1964) in seinem 2006 erschienen Suhrkamp TB «Die Verschwulung der Welt». „Das Bett ist ein Kriegsschauplatz zwischen arabischer Tradition und westlicher Moderne!“ – so spitzt es der für provokante Analysen bekannte libanesische Autor Rahshid al-Daif (*1945) zu, der im Rahmen des West-Östlichen Diwans auf Joachim Helfer traf. Ein interkultureller Austausch. Ein Gespräch in offener Rede und Gegenrede, über Fortpflanzung und Weitergabe von Wissen – (Fichte, Hubert (1935-1986): Detlevs Imitationen Grünspan, Rowohlt 1971/2005: «Ich kann mir die Freiheit, wenn ich ehrlich bin, nur als eine gigantische, weltweite Verschwulung vorstellen.» Fichtes Alter Ego „Jäcki“)
2) Kuby: Die globale sexuelle Revolution – Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit. fe-medienverlag, Kißlegg 2012, .ISBN 978-3-86357-032-3 – Darin legt sie dar, warum sie gegen die sexuelle „Freiheit“ ist und was sie im Eigentlichen gegen die Homosexualität, die männliche natürlich, hat. Kuby ist ursprünglich evangelisch und dann zum Katholizismus übergetreten. Bei ihr kann man nachlesen, was die Rechtskonservativen missverstehen an Gender-Theorie und am „Relativismus“ in der Sexualkultur. Mir ist während des Lesens aufgefallen, dass sie „ausgewählte“ Studien zitiert und einen grossen Bogen um Thematas macht, die reale Verhältnisse in der realexistierenden Familie kritisieren.
Für die bei uns noch anstehende Diskussion mit den Rechtskonservativen und Gläubigen, wie Chaaban, Riklin und Konsorten wichtig! Da können wir uns politisch vorbereiten! PT – Kuby: Gender – Eine neue Ideologie zerstört die Familie. fe-medienverlag, Kißlegg 2014, ISBN 978-3-86357-078-1
3) Andreas Lombard: Homosexualität gibt es nicht. Abschied von einem leeren Versprechen. manuscriptum 2015, 400 S. ISBN 978-3-944872-24-7
Alter und Intelligenz spielen laut Imhoff keine Rolle, ob jemand Verschwörungstheorien Glauben schenkt oder nicht. Bildung hingegen sei sehr wohl ein Faktor. Und zwar nicht, weil höher Gebildete die absurden Konstrukte besser durchschauen würden, sondern weil ein höherer Bildungsstand automatisch mit mehr Einflussmöglichkeiten auf das eigene Leben einhergeht. Oder anders ausgedrückt: Wer tiefer gebildet ist, bekommt weniger Chancen, seinen Lebensweg aktiv zu gestalten. – Verschwörungstheorien kompensieren das Gefühl, keine Kontrolle über sein eigenes Leben zu haben. (Roland Imhoff, Psychologe, zitiert von Katharina Bracher, Journalistin, im nzzas Magazin 18’2020, S. 18-19)