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Nr. 35, Oktober 2025 Wann wird uns das S-Wort „vorgehalten“? – Die Predigt hat am Filmabend vor der Pride stattgefunden (AIDS 80er) – Homosexualität zwischen Queersexismus und Emanzipation (über Helou’s Büchlein) – Hassan und der Hundesohn (über Kiskinilic’s neuen Roman bei Suhrkamp)

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Backlash? – Was habt Ihr denn geglaubt?

Reihum reden und schreiben alle über den „hippen“ Begriff und fühlen sich gegenseitig bestätigt. Ich finde, das zeigt nur wie sehr viele ‚geschlafen‘ haben. Die Zeit geht nie zurück, nur vorwärts lässt aber einige zurück! 😉 Man kann nie alle „mitnehmen“. Wir betrügen uns, wenn wir behaupten, wir seien wieder an dem und dem Punkt der Vergangenheit angelangt.

Also nicht zurückschauen und vor Schreck erstarren, sondern in der Gegenwart diejenigen ausmachen, die zurückgeblieben sind und sich wegen uns an eine Säule ihrer Ahnen klammern. (Wie zB die SVP)  😉 Wegen dieser Zurückgebliebenen kehrt nicht die ganze Weltpolitik zu denen zurück. Aber das hätten die gerne.

Es hat historische Tradition, dass Schwule immer mal wieder Angriffsziel gesellschaftspolitischer Kämpfe sind. Heute auch Lesben und Queerpersonen. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Meistens wird „die Verschwulung der Welt“ (1) befürchtet und behauptet! Doch welche Denkweise dahintersteht untersucht keineR. Wie ich schon immer schreibe, gibt es eine kulturelle Bedeutung, die in die Politik hineingerutscht ist. Vor allem in Bezug auf die Verwischung geschlechtsspezifischen Verhaltens. „Päderasten“ sind Männer, die „den Arsch hinhalten“, also den passiven Teil übernehmen. Und Männer, die im Profil „nur aktiv“ angeben, sind diejenigen, die richtige Männer „bleiben“ wollen. (Und das hat nichts mit persönlichen Vorlieben zu tun!) Das sich gegenseitig provozieren mit dem Ausdruck „ibne“ (Gefickter) in türkisch/kurdischen jungen Männergruppen dient der Herausforderung des „echten Mannes“ untereinander. Der Anspruch an eine „echte Frau“ ist gerade gegenteilig. Wer jetzt noch nichts merkt, dem ist nicht zu helfen…

Edmund White (1940-2025) berichtet aus den USA, dass vor der öffentlichen Schwulenbewegung jeder Mann im Verdacht stand, vielleicht „so einer zu sein“. Die Anfänge sozialer Wissenschaft hielten sich immer an Äusserlichkeiten. Nach dem Auftreten der Schwulen wusste mann: aha das, oder so sind Schwule. Was wiederum zu falschen Annahmen führte, denn die Auftretenden waren ja nie repräsentativ. Aber der „normale Mann“ war ein wenig entlastet! 😉 Es wird immer Menschen geben, die „zu spät geboren“ werden, die sich in früheren Epochen wohler fühlen würden. Aber deswegen von einem Backlash zu fabulieren wäre falsch!

In den Zehner-Jahren traten die ersten militanten Konservativen in den Medien auf. Ich habe damals sofort eine handvoll solcher Bücher bestellt, bevor sie wieder aus dem Buchhandel verschwunden sind. Dazu gehört auch Gabriele Kuby (*1944, katholisch-konservativ, (2)

In diesen Büchern können wir lesen, was heute von politisch originell sein wollenden Leuten hinaus posaunt wird!

Akif Pirinçci (*1949 in Istanbul), ist mit seinen türkischen Eltern 1969 in die Eifel umgesiedelt. Er war verheiratet und hat einen Sohn. Er ist bekannt und beliebt geworden mit „Katzenkrimis“ und dann aufgefallen mit Büchern wie: „Deutschland von Sinnen“ / „Die grosse Verschwulung“ (2015). Er wäre gescheiter bei seinen Katzenkrimis geblieben!

Ich habe jetzt, zehn Jahre nach Erscheinen angefangen sein Buch zu lesen. Politisch gibt es nichts namhaftes her. Seine Gedanken sind wohl „originell“ im Sinne seiner Katzen in Krimis, aber der Text bewegt sich vorwiegend im Stammkneipen-Jargon. Er schwadroniert über vermeintliche Zusammenhänge hinweg, ohne Ahnung zu haben. Mühsam auch beim „überfliegenden Lesen“. Seine Weisheiten über Frauen sind eher despektierlich. So über Angela Merkel in der Politik. Er bewundert dagegen Margareth Thatcher als eiserne Lady. „Eine türkische Flagge, meinetwegen auch die vom Islamischen Staat mit den arabischen Schriftzeichen, ja, das wäre im heutigen Deutschland, das sich echten Männern aus dem Morgenland mit heruntergelassenen Röcken und Hosen zu nähern pflegt, nicht zu beanstanden.“ (S. 40)

Als „Eingewanderter beklagt er sich über offene Grenzen, die nicht mehr kontrolliert werden könnten. „Lächerlich. Wenn nicht sogar total nazi.“ Das erinnert mich bei uns an people of color, die sich bei der SVP engagieren, in der Meinung, hier bei der „schweizerischsten Partei“ gelandet zu sein. Irgendwie adaptiert er eine „Erdogan-Doktrin“ auf die Bundesrepublik Deutschland. Wenn er vom „deutschen Mann“ labert höre ich die Ecke, aus der er schreit! „ … habe ich mich immer als echten Mann empfunden, wenn ich einer Frau etwas Gutes tun konnte.“ Oder dass er ihnen schöne Sachen kaufte, die sie sich schon immer gewünscht hatten und dass sie sich auf „ihren Kerl“ verlassen konnten. (S. 105)

Das tun auch türkische Fussballstars oder Tennisspieler – für ihre Mütter! Ich sage immer: die wurden nicht richtig abgestillt. Zum Thema gibt es Literatur: Volker Elis Pilgrim: Muttersöhne (über Politiker und Gewalt in der Geschichte) 1986/89. Immer wieder hatten und haben Schwule Angst, ihre Mutter könnte bei ihrem coming out einen Herzinfarkt bekommen und sterben…

Andreas Lombard (*1963) kommt mit einem klar gesellschaftspolitischen Konzept! („Homosexualität gibt es nicht“). Natürlich gibt es auch für ihn Homosexualität, aber nicht auf seinem eigenen sexualpolitischen Sofa. 😉 Er ist auch eine Art „Diskriminierungsleugner“. Schwule sind erstens eine Minderheit und zweitens ist ihre Diskriminierung quasi nur «ein Vogelschiss» in der ruhmreichen Geschichte der Fortpflanzung. Er hat sich 2015 am Plessower See in Klausur begeben, um seine Ideologie zu formulieren. Ähnlich wie Präsident Wladimir Putin hat er sich eine eigene Historie „erschrieben“. Vor allem ärgert er sich über die Fortpflanzungstechniken, die für Homosexuelle geschaffen worden seien. Dabei wurden diese Techniken ursprünglich für den Fortpflanzungswahn von Heterosexuellen geschaffen, die daran aus natürlichen Gründen gescheitert sind. Ich muss immer wieder an die Zeitschriften der „Zeugen Jehovas“ denken, worin die heile Familie mit vielen Kindern propagiert wird. Schwule würden das „versprochene Glück“ in ihrer Lebensweise nicht finden können. Interessant ist, dass sich Lombard auch auf das 2015 erschienene Buch von Robert Beachy: Das andere Berlin. Die Erfindung der Homosexualität, bezieht. Darum seine Titelwahl. Nun, die sexuellen Akte zwischen Männern sind in allen Kulturen und zu allen Zeiten „erfunden“ worden. Aber dies geht über seinen Horizont hinaus. Leider.

Vielmehr geht es um eine notwendige Kritik an der Homosexualisierung, an der ideologischen Verklärung der Homosexualität und der massiven Werbung für sie…“ (S.53) Es geht ihm um die Bindungslosigkeit und Promiskuität. Als ob bei den Heterosexuellen jeder seine Frau für den Rest des Lebens schon finden werde…

Oft begegnet mir der Begriff der „Gleichheit“ in bürgerlichen Kreisen. Ich erinnere mich an eine Diskussion an einer GLP*-Versammlung in Basel. Ich bemerkte damals ironisch, was es denn noch gleicheres gebe als innerhalb des Geschlechtes. 😉

Wir müssen nicht „gleich“ sein, aber wir beanspruchen nur die gleichen Rechte. Daran erkenne ich eine wesentliche Eigenschaft der Gesellschaft, die ständig daran baut, den einen Gruppen  / Familien / Unternehmen mehr Rechte zu geben als anderen. Dieser Begriff Gleichheit verdirbt die Diskussion und schiebt ihr jene „Identitätspolitik“ unter, die immer beklagt wird. Es ist sinnlos, Identitäten zu bekämpfen, sie sollen alle die gleichen Rechte haben! Sorry, aber „bürgerliche“ Politik orientiert sich meistens an Äusserlichkeiten, wie früher auch in den Sozialwissenschaften! Nur keine Rechte „abgeben“ oder mit anderen teilen. Etwas Exklusivität soll man doch noch haben dürfen! 😉 Lombard: „Eine Welt, in der alles gleichwertig erscheint, ist eine Welt voller Fiktionen.“ (3)  Thommen: Eine Welt in der alles heterosexuell sein muss, ist eine Welt voller Fiktionen!

Backlash? Wir Schwulen werden in ewigen Zeiten noch gegen gewisse „Meinungen“ kämpfen müssen – wie die Juden und die Zigeuner. Auch wenn viele von uns da schon heraus gewachsen sind. Es gibt keine bürgerlichen Ausreden wie: ich werde nicht diskriminiert, oder bei mir ist das anders… Denn zuletzt holen sie auch Dich! mit der Diskriminierung ein.

Dabei ist es von Vorteil, als Betroffener darüber informiert zu sein. Erst um dieses unbestimmte Gefühl «ich werde diskriminiert» loszuwerden und dann noch viel wichtiger: Zu wissen, was genau in den Köpfen steckt, die gegen die Propaganda für die Homosexualität zu kämpfen sich verpflichtet fühlen. Dies gilt für alle von uns – auch Migranten – und für überall auf dem Planeten.

Im Zentrum seiner Gedanken aber steht immer wieder die Einsicht, dass neben, unter,  über allem anderen die Schwarzen auch dafür gebraucht wurden, zu definieren was ein Weißer ist.“ (Verena Lueken, faz online 1.4.17) über James Baldwin  –  Dazu gedacht: Frauen und Schwule werden immer wieder dafür missbraucht, zu definieren, was ein MANN ist! P. Thommen_75

* Grün-Liberale Partei

1 ) Auf Hubert Fichte bezog sich Joachim Helfer (*1964) in seinem 2006 erschienen Suhrkamp TB «Die Verschwulung der Welt». „Das Bett ist ein Kriegsschauplatz zwischen arabischer Tradition und westlicher Moderne!“ – so spitzt es der für provokante Analysen bekannte libanesische Autor Rahshid al-Daif (*1945) zu, der im Rahmen des West-Östlichen Diwans auf Joachim Helfer traf. Ein interkultureller Austausch. Ein Gespräch in offener Rede und Gegenrede, über Fortpflanzung und Weitergabe von Wissen – (Fichte, Hubert (1935-1986): Detlevs Imitationen Grünspan, Rowohlt 1971/2005: «Ich kann mir die Freiheit, wenn ich ehrlich bin, nur als eine gigantische, weltweite Verschwulung vorstellen.» Fichtes Alter Ego „Jäcki“)

2) Kuby: Die globale sexuelle Revolution – Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit. fe-medienverlag, Kißlegg 2012, .ISBN 978-3-86357-032-3  –  Darin legt sie dar, warum sie gegen die sexuelle „Freiheit“ ist und was sie im Eigentlichen gegen die Homosexualität, die männliche natürlich, hat. Kuby ist ursprünglich evangelisch und dann zum Katholizismus übergetreten. Bei ihr kann man nachlesen, was die Rechtskonservativen missverstehen an Gender-Theorie und am „Relativismus“ in der Sexualkultur. Mir ist während des Lesens aufgefallen, dass sie „ausgewählte“ Studien zitiert und einen grossen Bogen um Thematas macht, die reale Verhältnisse in der realexistierenden Familie kritisieren.
Für die bei uns noch anstehende Diskussion mit den Rechtskonservativen und Gläubigen, wie Chaaban, Riklin und Konsorten wichtig! Da können wir uns politisch vorbereiten! PT    –   
Kuby: Gender – Eine neue Ideologie zerstört die Familie. fe-medienverlag, Kißlegg 2014, ISBN 978-3-86357-078-1

3) Andreas Lombard: Homosexualität gibt es nicht. Abschied von einem leeren Versprechen. manuscriptum 2015, 400 S. ISBN 978-3-944872-24-7

Alter und Intelligenz spielen laut Imhoff  keine Rolle, ob jemand Verschwörungstheorien Glauben schenkt oder nicht. Bildung hingegen sei sehr wohl ein Faktor. Und zwar nicht, weil höher Gebildete die absurden Konstrukte besser durchschauen würden, sondern weil ein höherer Bildungsstand automatisch mit mehr Einflussmöglichkeiten auf das eigene Leben einhergeht. Oder anders ausgedrückt: Wer tiefer gebildet ist, bekommt weniger Chancen, seinen Lebensweg aktiv zu gestalten. – Verschwörungstheorien kompensieren das Gefühl, keine Kontrolle über sein eigenes Leben zu haben. (Roland Imhoff, Psychologe, zitiert von Katharina Bracher, Journalistin, im nzzas Magazin 18’2020, S. 18-19)

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Thommens Senf

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«Der gewöhnliche Homosexuelle»

Das war 1974 der Titel eines Buches über die erste soziologische Untersuchung in der Bundesrepublik Deutschland. (1) Damit bin ich damals ab in die Ferien nach Tunesien geflogen. Mit einem Liebesroman von Roger Peyrefitte habe ich nach meinem coming out 1970 zum erstenmal die Bar „White Horse“ im Kleinbasel betreten. Ich las hinter einer Stange Bier, gleich vorne links beim Eingang und wagte ab und zu einen Blick auf die Szene an der Bar.

In den 70er Jahren holte die Schwulenbewegung Homosexuelle aus den Parks, Klappen und versteckten Bars heraus auf die Strasse und machte sichtbar, was vorher nur als Kriminalgeschichten von der Polizei an die Presse gegeben worden ist. In den 80ern dann blühte eine Szene auf, die nicht mehr nur private Partys gab, sondern fröhliche Veranstaltungen in Lokalen organisierte und regelmässig auf die Strasse zur Selbstdarstellung rief. Flugblätter und Infos wurden verteilt.

Unser Leben im „schwulen Alltag“ war fassbar geworden und liess sich in einer Publikation wie dem CRUISER auch eindrücklich beschreiben. Regelmässige Inserate der Lokale bildeten zunehmend eine finanzielle Basis. Schwule ‚Werbefritzen‘ und talentierte Autoren schrieben für ein grösser werdendes Szenepublikum. In den neuen Magazinen bildete sich das „ungewöhnliche/gewöhnliche Leben“ ab.

Es wird unterschätzt, wie wichtig es ist, als Teilnehmer von Subkulturen nachträglich auch darüber zu lesen. ‚Gestern‘ war es nur ein Traum, ein Abstecher in den dunklen Park, ein verschwinden in einer Rotlichtbar, ein dumpfer Schmerz von einem unbekannten Geliebten. Heute haben wir nicht nur geträumt – schwules Leben findet tatsächlich statt.“ (Schrieb ich 1995)

In den 90ern der HIV-AIDS-Pandemie war der direkte Weg zu Betroffenen für die Infos zur Prävention lebenswichtig. Diskussionen aus jener Zeit sind noch in alten Nummern nachzulesen. (Cruiser-Archiv, digital Internet)

Im April 1990 konnte ich das Basler coming out-Blatt in einer grösseren Auflage in die Szenen der Deutschschweiz liefern. Wenig später meldeten sich „die Zürcher“ mit einer Anfrage zur Zusammenarbeit. „Grösstmögliche Unabhängigkeit – Gegendarstellung für Kritisierte – kein offizielles Organ für Guppen…“ das waren Ideen die ich vorschlug. Im Juli/August jenes Jahres erschien ein Cruiser mit Textbeiträgen aus Basel. Der damalige Herausgeber Thomy Schallenberger äusserte sich zuversichtlich zu dem Projekt. Mein erstes „Basler Läckerli“ war im Februar 1991 zu lesen und im Mai erschienen schon erste „zickige“ Bemerkungen eines Zürcher Lesers. Meine Kolumne zierte das Züriblättli/Zeitung für schweizer Gays bis in den Sommer 1993. Basler Läckerli und Züri Tirggel unterschieden sich mindestens so wie die Dialekte! In jener Zeit war szene- und gesellschaftspolitisch viel los. Voll beschäftigt – auch mit Radiosendungn – in Basel, hatte ich noch ein wöchentliches Blatt lanciert.

Du hast auch den Eindruck, das müsse hundert Jahre her sein? Es sind gefühlte dreissig! Schwule und junge Queers haben es nicht so mit ihrer Historie. Aber im Cruiser-Archiv ist einiges nachzulesen und es öffnet dir die Türe zur Vergangenheit. Hier findet sich «der gewöhnliche Homosexuelle», der nicht in wohlfeilen Romanen erweckt und in der Person hübscher Männer feilgeboten wird. Unsere Ahnen waren früher nur in Polizeiakten zu finden. Heute gibt es DVDs und Serien im Internet – aber us-amerikanisch geprägt. Sie erzählen darin von Dramen, Komödien und dem Wolkenkuckusheim.

Unsere ‚alternative Familie‘ gibt es und im Gedruckten findest Du auch Kolumnen und Gedanken darüber. Anders als in „sozialen Medien“ denken und schreiben hier immer mehrere Menschen zusammen – für Leser, die weder Szenestars oder Influencer sein können. Viele Kulturen pflegen das Innehalten und Nachdenken über die Vergangenheit. Doch wo bleiben in der Queerszene „Erntedankfest“ und Erinnerungen an all die gewöhnlichen Homosexuellen, unsere Vorfahren?

Peter Thommen_71, Basel

1) Martin Dannecker/Reimut Reiche, S. Fischer

P.S. Den Text schrieb ich anlässlich der 35 Jahre Cruiser in Zürich. Leicht gekürzt in der Ausgabe 12’21 publiziert.

Diskussion über den Film von Praunheim: Nicht der Homosexuelle… 1973

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Was zählt als „Liebe“?

Die aktuelle Schwulen- und „Buchstaben“-Politik trägt die Losung voran:
„Nur die Liebe zählt!“ Dabei wird die heterosexuelle Ehe angestrebt, um schliesslich in der
Normalität „unterzugehen“…
Es gibt auch Schwule, die eine Ehe nicht eingehen wollen oder auch nicht können. Für deren Probleme muss sich Pinkcross und seine Mensch-schaft
aber auch engagieren!

Mein Ausgangspunkt ist – wie bei der Schwulenbewegung gelernt – die Ideologie UND der
Akt der Diskriminierung, dessen sich viele gar nicht bewusst sind – oder sie einfach verdrängen.

„Je suis musulman et homo.“ Sagte mir kürzlich ein schwuler Algerier – seit 30 Jahren hier lebend, ohne zu wissen, dass Schwulenfeindlichkeit nach aussen im Islam ein Produkt der letzten ca. 70 Jahre ist. Vorher redete einfach keiner darüber!

Ein katholischer Pfarrer hat mir vor einiger Zeit erklärt, dass Mönche auch mit Jesus verheiratet werden (wie Nonnen), aber der „Vollzug der Ehe“ für nach dem Tod „aufgeschoben“ würde.
Ich erinnere mich an einen Artikel im Kreis Nr. 4/1960 (> nachgedruckt in swissgay.info Nr. 15, S.5), wo nachgefragt wird, ob jemand mehr darüber wisse, wie früher in der griech. orthodoxen Kirche auch Freundespaare gesegnet wurden, mit einem weissen Bändel um ihre Handgelenke.
Gemäss Alan Bry (GB) seien im Mittelalter von der katholischen Kirche in England auch homosexuelle Paare gesegnet worden. (Nürnberger Schwulenpost, 10’2001)

Trotz alledem, oder vielleicht auch gerade deswegen, konnte eine Schwulenfeindlichkeit bis in die heutige Zeit gepflegt werden! Deren Wirksamkeit versuchte ich in den letzten Ausgaben von swissgay.info sichtbar zu machen.

Peter Thommen_71

siehe auch: Feindbild offen schwul (2010)

Thommens Kolumne im Cruiser Januar/Februar 2021 Zum Thema: wie gesund leben Schwule?

Schwule und Sexualität im Alter: Rafael Medina, Portraits, auf siegessäule (2017) – Wieland Speck über Sex im Alter (2021)

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Zwischen Gender und Arbeit!

Die – heute tote – Schwulenbewegung hat sich in den 70ern von Anfang an an die Bewegung der Arbeiter und Arbeiterinnen gelehnt, um die Politik für den Wechsel des Strafgesetzes in Aktion zu bringen. Sie ist aus dem gesellschaftlichen Schatten hervorgetreten, in welchem sich die traditionellen Schwulen und ihre Vereine bisher geduldet gefühlt hatten.

Die Schwulenbewegung in der Schweiz berief sich auf den rosa Winkel unserer Vorfahren in Deutschland. Auch wenn es keine nationalsozialistische Politik bei uns gegeben hatte. Immerhin war es nach dem Krieg nicht verboten, homosexuell zu SEIN. Aber wir wurden durch ein bedeutend höheres Schutzalter vor uns selber geschützt, ebenso natürlich die Heterosexuellen, die schon ab 16 miteinander spielen durften. Einweisung in ein Konzentrationslager bedeutete „Schutzhaft“, auch für Juden und Schwule. Doch ist dabei – wie auch beim Schutzalter – immer auf beide Seiten zu fragen, wer denn vor wem geschützt werden sollte! (1)

Homosexuelle und Heterosexuelle unter 20, die sexuell miteinander in Kontakt gekommen sind, wurden strafrechtlich oder administrativ weggesperrt. Es gab Bussen, oder Gefängnis im Wiederholungsfall. Dies hatte Alexander Ziegler, ein Schauspieler und Texteschreiber medial an die Öffentlichkeit gebracht. Sein bekanntester Roman ist „Die Konsequenz“, der auch verfilmt worden ist. Darin schildert er auch die verlogene Moral in Deutschland, wo es sogar verboten war, homosexuell zu sein. Obwohl es für eine Strafe ja immer erst einer Handlung bedarf…

Unter solchen gesellschaftlichen Bedingungen war es auch schwierig, eine anständige Arbeit zu finden, derer man immer verlustig gehen konnte, wenn etwas „bekannt“ geworden war. Ich weise in diesem Zusammenhang gerne auf die heutige Situation von Pädophilen hin, die schon gar nicht erst strafbare Handlungen begehen müssen, um ausgegrenzt zu werden! Hingegen haben es zum Beispiel andere „Gesinnungs-Genossen“ aus der rechten politischen Ecke einfacher, „damit zu überleben“. Aber auch Linksextreme bekommen keine Sondergesetze aufgedrückt. Nicht mal pädophile Frauen, die es nach sexistischer Vorstellung überhaupt nicht gibt. Sie alle sind – wie alle Bürger in der Schweiz – vor dem Gesetz gleich, wie es so schön in der Verfassung steht.

Wenn wir jetzt über eine „Pädophilen-Initiative“ abstimmen müssen, dann nur wegen der sexuellen Dimension, in die sie vorstösst. Was wir früher öffentlich mit dem „Schutzalter 20“ politisch angestossen hatten, fällt jetzt sozusagen wieder auf uns zurück! Dabei bedarf es keinesfalls des „pädophil Seins“, sondern nur der Verletzung bisheriger Strafgesetze – also sexueller Handlungen mit Kindern (bis 15), um „lebenslänglich“ nicht mehr mit Kindern arbeiten zu dürfen. Intelligenterweise wird in heterosexuellen Familien nicht mit Kindern „gearbeitet“, sie werden da nur streng hetero/a erzogen!

Schwule könnten vielfältig davon berichten, wie sie von ihren Eltern oder anderen bestimmenden Personen wegen ihrer homosexuellen Bedürfnisse „bearbeitet“ worden sind. Das ist dann aber legal. Interessant wird sein, wie sich „Regenbogenfamilien“ mit Verdächtigungen auf „Pädophilie“ durchschlängeln werden…

Der CVP ist auch noch eingefallen, dass die „normale“ Familie aus Mann und Frau besteht. So dass gegen das politische Ziel der „Homo-Ehe“ aus der lesbischwulen Ecke, auch hier ein Nagel eingeschlagen werden konnte.

Ursprünglich gab es in der „Normalität“ einfach sexuelle Abweichungen, die hie und da auftraten. Eine davon war die Urningsliebe, oder später Homosexualität genannt. Erst nach ihr entstand die „Heterosexualität“. Magnus Hirschfeld als erster Sexualwissenschaftler vermutete eine, oder mehrere Zwischenstufen, um die Erscheinungen unter einen Hut zu bringen. Aber nach der Bisexualität als dritter Variante sind inzwischen noch mehr dazugekommen. Und es nimmt kein Ende, welche Variationen laufend aus der Normalität fallen. Neben den biologischen Unterschieden von Körpern und Geschlechtsteilen gibt es auch unterschiedliche Verkehrsformen und unterschiedliche Spiele und Rollen miteinander. Dies alles wird heute unter dem Begriff „gender“ (= sozial funktionierendes und/oder erlerntes Geschlecht) versammelt.

Die normale heterosexuelle Familie hat heute ziemlich Probleme, ihrem Nachwuchs diese „Gender-Welt“ zu erklären. Am einfachsten ist es da, den Kindern und Jugendlichen schon mal die Information über die Realitäten zu verweigern, oder vorzuenthalten, nach dem bewährten bürgerlichen Motte, was nicht genannt werden kann, das kann es auch nicht geben! Erst wenn das Internet stört und der Nachwuchs zu früh die wichtigen „Lebensfragen“ stellt, wird es relativ ungemütlich! Personen, die mit Kindern arbeiten und solche, die sie zuhause aufziehen müssen, können ziemlich ungehalten auf sexuelle Lebensfragen reagieren, denn das kommt alles „von aussen“ und stört die traditionelle, geschützte Harmonie…

So sind auch heute wieder Sexualität und Arbeit nahe beieinander. Schon im Mittelalter, in welchem grosse Unkenntnis über die Geschlechter herrschte, kamen Frauen auf die Idee, sich in Männerkleidern zu Arbeiten zu verdingen, weil sie dann einen höheren Lohn bekamen! (2) „Arbeit mit Kindern“ soll mehr und mehr ein Teil des öffentlichen Arbeitsmarktes werden, besonders im Vorschulalter. Damit bekommen nun auch die „Früchte“ der familiären Sexualität eine „öffentliche Bedeutung“ und Beachtung, die bisher im privaten Lebensraum behalten werden konnte. Eine interessante Entwicklung, besonders im Hinblick auf die Bewertung der Sexual-Arbeit ausserhalb „privater Intimität“. Doch wer sich über die Geschichte der Kindheit, der Familie und der Arbeit etwas informiert, den wird das nicht verwundern.

Nicht nur Sexualität, Liebe und Arbeit verändern sich ständig und schneller. Auch Orientierungen, Identitäten, Fetische und Geschlechtsteile werden unterschiedlich benützt und eingesetzt. Nach dem Motto, ich betätige das, was ich gerade brauche – und morgen ist alles wieder anders…

Peter Thommen_64, Schwulenaktivist, Basel

1) Erdogan: Schutzhaft für Homosexuelle in der Türkei 2014!

2) Ein Bauernknecht wird als Frau in Männerkleidern enttarnt (Chronist Fridolin Ryff, zitiert von Katharina Simon-Muscheid, in: Arbeit, Liebe, Streit, Texte zur Geschichte des Geschlechterverhältnisses und des Alltags, S. 112 (Verlag des Kantons Baselland, Liestal, 1996)

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Heterosexualität – reiner Sexismus

Aus langer Tradition gibt/gab es immer 95 % Heterosexuelle und „vielleicht höchstens“ 3-5 % Homosexuelle – beiderlei Geschlechts. Und obwohl Kinsey schon nach dem 2. Weltkrieg sehr viel mehr homosexuelle Aktivitäten abfragen konnte, wir das bis heute als unveränderbar aufrecht erhalten. Doch Kinsey fragte nicht nach der Orientierung, sondern nach den Aktivitäten. Dabei ist er auf einen „sehr hohen“ Anteil gekommen, sodass viele Heteros meinten, dieser Kinsey müsse doch selber schwul sein – derweil sie unbekümmert „Lesbenpornos“ als zusätzliches Vergnügen konsumierten…

Seit über vierzig Jahren hat sich eine Homosexuellenbewegung (beiderlei Geschlechter) etabliert, die sich organisiert und rechtlich abgesichert hat. Dabei sind die „Schwulen“ immer mehr zur Minderheit geworden. Aber was sind „Schwule“ eigentlich? Keiner weiss das mehr so recht! Die Gruppen und Vereine sind zunehmend ein Teil des Mainstreams und des Warenmarktes geworden, der Ferienindustrie und der Immobilien…

Doch neben den selbständigen Formationen der Lesben haben sich in den letzten zwanzig Jahren neue Gruppen und Grüppchen gebildet, die von der „reinen Heterosexualität“ quasi „abgefallen“ sind. Und bemerkenswerterweise hat die Heterosexualität davon bis heute keine Notiz genommen! Wozu auch? Sie steht ja da mit felsenfesten 95 %!

Unter der „Verwaltung“ der Homosexuellenbewegungen und der Schwulen, die ja meistens sich selber finanzieren und ohne grosse staatliche Unterstützung auskommen müssen, obwohl sie ja eigentlich „leibliche Kinder“ der Heterosexuellen sind, hat sich nun ein interessanter „Abfall“ der Heterosexualität angesammelt. (Für die politische Korrektheit: Abfall kommt von abgefallen!)

Das sind nun also – neben den Schwulen und Lesben – noch die Bisexuellen, die Trans*was-auch-immer, Intersexuelle (und Hermaphroditen), des weiteren die Queers* , die Questionning (1) und die Asexuellen. Und ganz aktuell nun auch noch die Pansexuellen (2), wie ich mir habe erklären lassen. Somit sieht die „Familie des Abfalls“ – in Abkürzungen – zur Zeit wie folgt aus: LGBTIQQAP.

Das erinnert mich an die berühmte Formel des „Schwulen-Gens“ XQ28 oder so ähnlich! Nun sind wir also von einer ursprünglichen „Krankheit“ bei einer immer länger gewordenen „Formel“ gelandet. So etwas habe ich mir aber nie unter „Schwulenemanzipation“ vorgestellt. Auch nicht die Schwulen-Ehe. Und ich denke ganz politisch unkorrekt, dass ich als Schwuler mit allen anderen eigentlich nichts am Hut habe. Und was die Bisexuellen (was immer das auch für sie selber bedeutet) betrifft, so ist wohl der kleinste gemeinsame Nenner die Sexualität miteinander. Damit hat sich’s aber schon.Wir Schwulen hätten da also von denen noch sehr viel zugut – denn wir sind AUCH für sie auf die Strasse gegangen!

Peter Thommen_63, Schwulenaktivist, Basel

 

1) Das sind diejenigen, die selbst nicht wissen, wohin sie gehören!

2) Dass mit dem neuen P nicht die Pädophilen oder gar Pädosexuellen gemeint sein können, habe ich sofort begriffen. Aber wenn man das Wort Pan*… betrachtet, dann könnte man auch diese da drin noch mitnehmen! 😛

P.S. Die Gerontophilen werden natürlich vergessen, denn das ist dann – politisch korrekt – „Vergewaltigung von alten Senioren“ oder so…

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Das linke coming out der HABS am 1. Mai 1974*

Das sogenannte „Homoregister“ der Strafverfolgungsbehörden hatte „Homos“ und organisierte Schwule schon längere Zeit beschäftigt. Ende der 70er Jahre gaben die Staatsorgane auch zu, dass ein solches bestehe. Es wurde laufend „nachgeführt“ durch Kontrollen in den „Schwulenparks“ (Schützenmatte und Wettsteinbrücke). Dabei wurden wir „gleichbehandelt“ wie heterosexuelle Verbrecher. An die Wand gestellt, mit Hunden gejagt und umzingelt… (Siehe dazu meinen Überblick im HABS-info, 11’79, PDF)

Anlässlich der Gay80 gab es eine unvorhergesehene Begegnung mit Polizeidirektor Karl Schnyder (SP, dann DSP) beim Stand an der Schifflände, in der er sich sehr liberal gab (sh. Video Minute 3.15!), aber zur Praxis äusserte er sich nicht so ausdrücklich! 😉

In jener Zeit stand auch das „Kriminalpolizeiliche Informations-System“ der Bundesanwaltschaft zu Diskussion. Die HA-Gruppen waren von „linken Leuten“ dominiert und schlossen sich den öffentlichen Protesten dagegen politisch an. (Inzwischen gibt es eine „eingetragene Partnerschaft“ – aber auch in diese wollen nicht alle eingetragen werden!)

Jedenfalls politisierte die Aussicht auf ein solches Registrier-System viele Schwule. Aber man besuchte nicht Christoph Blochers „Albisgüetli“, sondern gesellte sich am 1. Mai zu den Gewerkschaften und ArbeiterInnen…

Wie konnten wir damals Homosexualität politisieren? Die Schwulenbewegung orientierte sich an der Geschichte unserer deutschen Brüder und Schwestern, welche vom Nationalsozialis-mus verfolgt worden sind. Das rosarote Flugblatt für den Maiumzug trug den Titel: „Schwule am 1. Mai?“

HABS1Mai79

li-aussen: Walter Hofer, Mitte: Fabio Eiselin, re-aussen: Miguel

„Es ist kein Zufall, dass sich die Schwulen der Arbeiterbewegung anschliessen. Wer könnte sich eine Homosexuellen-Delegation an einer Arbeitgeber-Konferenz vorstellen, obwohl es sicher viele schwule Unternehmer gibt? Nur die Arbeiterbewegung ist fähig und willens, die heutige Gesellschaft in Richtung Demokratie und Freiheit zu verändern. Nur die unten sind, ohne Zweitvilla und Aktienpaket, sind bereit, für die Veränderung einzustehen. Die Homosexuellen haben sich in die richtige Reihe eingefügt.“ (Martin Herter (1954-2001) in der Basler AZ vom 15. Mai 1979, in der Titelseitenkolumne)

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Vom Münsterplatz zum Marktplatz Maidemo

Wer hat bis heute irgendwo einen Mai-Redner von Schwulen und Lesben erzählen gehört? Ich in all den Jahren noch nicht! Wir sind zwar in der Minderheit, aber wir verbalisieren die Probleme, die die Mehrheit hat, sexuell und ökonomisch! Aber die „Sexualökonomie“ von Hetero/as beschränkt sich auf Kinderbetreuungs-Einrichtungen, auf Familien- und Kinderzulagen, günstige Familienwohnungen, Familiennachzug, sowie „Erziehungsgutschriften“. Der Sex ist da völlig verschwunden. Es gibt nur Saubermänner- und –Frauen!

Mitten in den roten Fahnen stand der rosa Winkel. Wir hatten uns erst auf dem Münsterplatz versammelt, ganz zur Seite und reihten uns dann in den Demo-Zug ein. Während die Reden gehalten wurden, verteilten einige ganz beherzt das rosa Flugblatt. Nicht jedeR griff zu…

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Auf dem Marktplatz in Basel, unten das rosa Flugblatt

Angeline Fankhauser  (NRin SP 1983-1999) hat mir letzten Herbst am Telefon bestätigt, dass in Bern nicht über die Homosexualität diskutiert worden ist! (!) Es wurde einfach das Schutzalter angepasst. Zum einen mag das eine Normalität beweisen, die es im früheren Strafrecht niemals gegeben hat (1942-1992), andererseits hinkt das Rechtswesen der bisherigen „Gender-Diskussion“ völlig hinterher, was die Homosexualität von Jungs und Männern betrifft – oder auch die Männerprostitution.

Der Sexismus des alten Strafrechts (was kann zwischen Frauen denn schon passieren?) wird fröhlich bis heute fortgeführt. Es gibt nur TätER und keine TäterINNEN. Zwangsheiraten für Männer (auch von Müttern betrieben) sind kein Thema und die homosexuelle Orientierung, oder das homosexuelle Spiel unter Knaben geht in der Diskussion um Sexualerziehung und „Sexualisierung“ von Kindern völlig unter!

Was ist „Öffentlichkeit“? Diese Frage stelle ich mir immer wieder. Wenn zum Beispiel „eingetragene PartnerInnenSchaften“ verlangen, dass amtliche Formulare den dritten Zivilstand verschweigen und sie sich lieber „bei verheiratet“ eintragen wollen…

Was ist „Öffentlichkeit“? Wenn Schwule und Lesben Parties veranstalten und dazu anschreiben „heterofriendly“? Oder wenn Flyers nicht mehr „oberkörperfrei locken“, sondern in Hemd und Kravatte einladen – um Frauen und Heteros „nicht auszugrenzen“? Wenn Schwule sich an CSDs auf den Wagen in den Strassen mit allen Fetischen präsentieren? Oder wenn in Berlin gar öffentlich auf Wagen arschgefickt wird?

Heisst Zusammenarbeit zwischen Lesben und Schwulen, wenn der CSD einfach „Christina Street Day“ genannt wird? Wo setzen uns Lesben Grenzen? Zum Beispiel durften im Schwulen- und Lesbenzentrum Basel (80er) an Lesben-only-parties die Kondomplakate zur HI-Verhütung nicht hängenbleiben. Eine offensichtlich lesbische Polizistin fragte mich einmal direkt, warum wir Männer denn in den Park und auf Toiletten gingen, sie würde mit ihrer Freundin in den Isola-Club gehen…

Es wird immer fragwürdiger (d.h. die Frage erhält zunehmend Würde!), ob die Erscheinung im öffentlichen Raum gesellschaftlicher Liberalität, politischer Glaubwürdigkeit, oder einfach nur der mit Kommerz erkauften Toleranz der Heteros dienen soll!

Doch hinter der Adoptionsverweigerung stehen Vorurteile, die einfach nicht bearbeitet werden wollen! Der „Pädophilie“-Vorwurf dahinter muss hervorgezerrt und in der Öffentlichkeit diskutiert werden – natürlich bei Vätern, nicht bei Müttern! Und wenn ich schon gerade beim Thema „Übergriffe“ bin: Es gibt zahlreiche Mütter und Frauen, die zwar (ihre) Kinder vor „Sexualisierung“ schützen möchten, aber durchaus mit der Sexualität oder Orientierung ihrer Sprösslinge ihre Riesenprobleme haben – und dazu besonders mit der homosexuellen.

Claudia Müller hat in ihrer Arbeit (1) gezeigt, welche Erwartungen sie an die Nachkommenschaft stellen. Und Alexander M. Homes (2) hat in seinem Buch über pädosexuelle Frauen und Mütter auf eine Dunkelzone hingewiesen, die noch immer vom Muttermythos überstrahlt und von der Angst vor Vätern und der hysterisierten Diskussion um TätER and die Wand gedrückt wird.

Ich kann nur immer wieder auf die Untiefen dieser Politiken und Sexismen hinweisen! Wenn die Diskriminierung in der Öffentlichkeit zuschlägt, ist die organisierte Schwulenschaft nicht vorbereitet darauf! Ich finde es ganz gut, dass die Parole „Arbeit für alle statt Ehe für alle!“ in Paris erschollen ist! Aber die Schwulen sind so darauf ausgerichtet, dass sie die Zeichen der Zeit nicht erkennen und danach handeln (wollen).

Peter Thommen_63, Schwulenaktivist, Basel

*Gemäss  „40 Jahre habs“  ist die Schwulengruppe am 1. Mai 1974 erstmals aufgetreten (S.  9, als erste HA-Gruppe überhaupt!) Das Flugblatt hatte den Titel: „Was haben Rothaarige und Schwule gemeinsam?“

P.S. Ein CSD in den USA kann heutzutage durchaus von Grossindustrien dominiert werden!

1)  Claudia Müller (Pädagogin): Mein Sohn liebt Männer, 2008, eine qualitative Studie über 5 Mütter)

2) Alexander Markus Homes: Von der Mutter missbraucht. Frauen und die sexuelle Lust am Kind, 2005, 458 S. (Nicht zu verwechseln mit der US-Schriftstellerin A.M. Homes!)

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Solidarität oder Schicksal

Der Schicksalsroman des Anton K. (tageswoche online und TeleBasel)

In der ersten Aprilwoche dieses Jahres wurde ich von verschiedenen Bekannten auf einen Fernsehbeitrag über AIDS aufmerksam gemacht und später noch auf den Bericht in der tageswoche-online. Diese titelte „Die Entfesselung des Anton K. …“

Mit dem Wort „Entfesseln“ wurde zwar bedeutungsvoll Sensation angekündigt, aber schliesslich stellt sich die Geschichte eines Heteros als sehr bürgerlich dar. Ein unauffälliger Familienvater entwickelt und befriedigt seine homosexuellen Bedüfnisse heimlich in einer Parallelwelt. Diese „homosexuelle Fetischwelt“ entspricht in etwa derjenigen bürgerlicher Heterosexueller – einfach dort zusammen mit Frauen als Partnerinnen

Nach zwanzig Ehejahren mit der einzigen Frau, mit der er zusammen Sex gehabt hatte („mit der er je geschlafen hat“, tageswoche online) zieht Anton aus und entdeckt „die schwule Welt“. Das schreiben viele ex Heteros oder „neu Homosexuelle“ immer wieder, weil sie nie hinsehen wollten, dass die Homosexualität mitten unter ihnen lebt und fickt.

In einer Andeutung erfahren wir, dass er schon mit 14 oder 15 von einem nackten Männerbild angezogen worden war. Er wurde also nicht „politisch-korrekt“ von einem „Pädophilen“ sexuell missbraucht, wie es so gerne in der Öffentlichkeit verhandelt wird!

Interessant die Bemerkung: „Ich hatte nie das Gefühl, meine Frau zu betrügen, es gab einfach diesen Bereich, der nur mir gehörte.“ (tageswoche online) Klar. Frauen wissen das zu verhindern. Sie wollen alles oder nichts. Er musste „eine Mauer hochziehen“. Das tun Männer auch, indem sie schnell Zigaretten holen gehen und dann nicht mehr gesehen werden. Einfach weg und fort.

Anton K. ist heute 59 Jahre alt. Zur Zeit der Schwulenbewegung war er ein Teenager und später ein Medien-Spezialist. Er muss starke Verdrängungsmechanismen entwickelt haben. Entweder schon in seiner Herkunftsfamilie oder dann wenigstens in seiner Ehe. Genützt hat es nichts, denn „Das wissen wir doch schon ein Dutzend Jahre“, sagten seine zwei Söhne auf das coming out ihres Vaters (srf3 online).

Anton K. ist ein Beispiel von „Schwulenemanzipation“, wie wir es im Internet seit über einem Jahrzehnt laufend sehen und erleben können! Das Schicksal ist wichtiger als die Solidarität mit Anderen. Solidarität wird oft mit Ängsten gebunden, die jemanden dann fesseln. Ich erwähne da nur die Hierarchie der heterosexuellen Familie und die monotheistischen Religionen. Anton K.: «Ich hatte den Mut nicht. Es ist einfacher, wenn du nichts erklären musst, auch gegen aussen nicht.» (tageswoche online)

Statt in der Solidarität mit Anderen landet Anton K. in der Sackgasse eines Schicksals. Aber das kennen wir schon aus den Bastei-Romanen und der „Schwarzwaldklinik“.

Etwas, was die Schicksalshaftigkeit seines Lebens noch unterstreicht, sind seine Besuche in Fetisch-Clubs. Hier inszeniert er mit Anderen zusammen eben – sein Schicksal. Immer wieder neu, wie Heteros mit ihrer Ehefrau zusammen im Bett. Oder Schwule mit ihrem Ehemann. Ich lese verschiedenste Blogs im Internet. Dabei fällt auf, dass „verheiratete“ Männer meist im „wir“ schreiben: „Wir besuchten unsere Eltern an Weihnachten“, etc. Oder sie erzählen von „meinem Mann, mein Mann und ich…“

Wieso er als „Botschafter einer Aufklärungskampagne“ hausieren geht, wird mir nicht klar. Mir wird auch nicht klar, wieso er auf safer sex verzichten will und dafür auf Risiko lebt. «Erwische ich das Virus, nehme ich Medikamente.» Dafür gibt es ja heute gute Therapien.

Ich denke, das ist das klare Eingeständnis der AIDS-Hilfen, keine „ideologische“ Prävention mehr tun zu wollen oder zu können. Nie vergessen werde ich den Satz von Ruth Ruthmann von 1997: „Zum zweiten behandelt diese Kampagne, die einen unvergleichlichen Erfolg aufweist, das Problem des Safer Sex und nicht die schwule Revolution.“

Wir brauchen also nach wie vor irgendwelche „Homosexuellen Arbeitsgruppen“, die diese Arbeit tun. Nur: keineR will sie bezahlen, denn das sind (noch) nicht die Probleme der Heterosexuellen!  Peter Thommen_63, Schwulenaktivist, Basel

 

Hier der Link zu Axel Schuberts (HABS) Kritik an dieser Art von Öffentlichkeitsarbeit.

Hier der Link zu meiner „wütenden“ Kritik an dieser Art von Journalismus (nicht unter den „ausgewählten Kommentaren“ zu finden! 😉

Bedenklich findet serena vor allem zwei Dinge

Wissen sie was sie tun? (über eine Kampagne in der BRD)

Sexuelle Risikobereitschaft, Hausarbeit 2002

P.S. Selbstschädigungstendenzen, über Mobbing und Suizide in Kindheit und Jugend,  Verbreitete Analsucht unter Männern

 

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„verpass keine Party mehr!“

Der „Homo“ oder Schwule schwankt in seinem Leben ständig zwischen Provinz und Weltstadt. Das einsame Landei geht in die Stadt, um „Seinesgleichen“ zu finden – und hat er seinen „Mr. Right“ gefunden, dann zieht er mit ihm in eine schöne Wohnung wieder aufs Land, für die traute Zweisamkeit.

Der Stadt-Schwule irrt zwischen der Gaybar und dem Stadtpark hin und her. In der einen leidet er an der Enge der familiären Atmosphäre und im anderen sucht er nach dem „unbekannten Mann, Schwulen, oder gar Hetero…

Es gab schon immer welche, die sich nicht nur mit Schwulen begnügten, sie wollten auch vom „heterosexuellen Honig“ naschen. Sogar ein Transsexueller erklärte mir schon vor über vierzig Jahren, dass er sich umbauen liesse, damit er „mit allen Männern“ schlafen könne…

Dieses ständige Einbrechen in neue Räume, in neue „in-Lokale“ und Wiederausbrechen aus familiärer Enge gerade derselben, ist wohl die Parallele zur heterosexuellen Ehe und dem sie begleitenden „Rotlichtmilieu“ mit dem praktischen Hinterausgang aus dieser.

Der „Pomo-Homo“ – also der postmoderne Homo, wie ich ihn in einem US-Roman gefunden habe – schaffte sich seit Jahrhunderten eine bürgerliche Kiste, mit Notausgang in die „weite Welt“, sozusagen. Und nur selten wird die „eingetragene Partnerschaft“, oder eben die bürgerliche Kiste, in die anderen Welten mitgenommen. Man könnte sich (Ihn) ja in ihnen wieder verlieren…

Auf die diversen Fetisch-Veranstaltungen und Fetischlokale möchte ich jetzt nicht näher eingehen. Aber auch diese sind bemühende Intimsphären-Konstrukte, die aber wiederum davon leben, dass aus allen Richtungen ständig neue und fremde Männer anreisen, um die Stimmung anzuheben. Während die Heteros eine Zeitlang ihre „Swingerparties“ hatten, an denen Mutter und Vater als Pärchen jeweils mit einem anderen Pärchen, oder Vater und Mutter fickten, gibt es da jetzt auch schon „postmoderne Sex-Clubs“.

In den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, mussten sich Homosexuelle in privaten Clubs oder angemieteten Sälen verstecken, um ungezwungen tanzen und fröhlich sein zu können. Oder dann in den 70ern mischten sie sich unter die offener gewordene Tanzkultur der Heteros, die aufgehört hatten, als Pärchen zu tanzen. Aber schon bald suchten die Homosexuellen Arbeitsgruppen nach eigenen Räumen, um auch eigene Parties auf eigene Rechnung durchführen zu können. Paartanzen war bei Heteros nicht möglich und die Gays waren ja immer führend in der neuen Musik gewesen!

Das alles tönt heute wie vergangener Schall aus unwirklichen Zeiten. Der postmoderne Homosexuelle pflegt seine familiären Bedürfnisse über die sozialen Netzwerke und sein Iphone mit den speziellen Apps. Den Duft der grossen weiten Welt sucht er an den Parties diverser Städte und Clubs. Sein Appetit ist gewaltig und der Erlebnishunger wird auf immer neue Art, mit Dekos und Labels und eingeflogenen DJs und DJanes erhalten. Frühlings- und Herbstfeste, Maibälle und periodische Parties in den Bars – darüber können wir nur noch müde lächeln…

Die heutigen Zeiten sind professioneller, geschäftstüchtiger und härter geworden. So schnell wie die Flyer, ihren Style und die Parties ihr Lokal wechseln, haben nicht mal die Schwulen ihre Partner getauscht! Und vom Drogenkonsum will ich gar nicht anfangen. Ich will darauf hinaus, dass der Mensch, seine Bedürfnisse und seine Erlebnisse regelrecht zu kurz kommen und mit Material verstopft werden. Diverse Ab-hängigkeiten sind neu geregelt.

Schon die Junghomos – also diejenigen, die noch keine Schwanzvergleiche machen und Pornos untereinander austauschen – befinden sich im Veranstaltungs- und Konsumstress. Sie fühlen sich verpflichtet, „in“ zu sein und es den „grossen“ möglichst nach-zumachen – wie die meisten hetero Jungs auch. Jede Party ist gefährlich und gnadenlos wie ein Pausenplatz vor der Schule. Und diese wiederum funktionieren wie ein Hühnerhof mit Gockeln und Hennen. Statt Schnäbelhacken gibt’s Klatsch und Tratsch und das outfit der Jungs sind die Schwanzfedern des Hahnes. Nicht jeder, der da selbstbewusst auftritt, kann auch zuhause der Familie in die Augen schauen. Aber wen interessiert das?

Die „Pornoerfahrenen“ wiederum müssen jede „Sauerei“ ausprobieren, denn „das Leben ist ja kurz und verschissen wie eine Hühnerleiter“! Orgasmen werden aufgehäuft wie die Schwänze, die möglichst gross sein sollten. So denn jemand nicht Auto fährt, oder ein Zugsabo hat, oder gar ein Flugticket, wird ihm bald langweilig werden…

Keine Zeit zum Innehalten, zum Verarbeiten der Eindrücke, zum Kennenlernen von Menschen. Jeder Fick wird zum ultimativen, jedes Lächeln zum Bewerbungsschreiben an Mr. Right. Egal ob zuhause die „eingetragene Partnerschaft“ wartet, oder mann sich überraschen-derweise in einem Darkroom zufällig wieder trifft.

Diese Gaycommunity ist ein Geschäftsmodell und sie wird solange Bestand haben, wie sie einträglich ist – für Wenige. Und damit verbunden auch die Plattformen und Apps. Die Pics, die Sixpacks und die Klamotten. So schnell wie sie entstanden ist mit den elektronischen Medien, so schnell wird sie auch wieder verschwinden. Nichts ist altmodischer als der Fick von gestern und die Droge von vorgestern. Aber es interessiert keinen.

Peter Thommen_63, Schwulenaktivist, Basel

Junge Schwule (Kontiki 20, 1’1980) übernommen aus dem habs-info

Thommen: Schwules Leben in der Stadt, 1977-97

Homo-Kultur (HabInfo 9’2010)

 

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